| Wir sind allein. |
| Und nur die Nacht ist Zeuge.
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| Voller Leidenschaft sind wir im Kuß vereint.
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| Heimlich scheint der Vollmond durch die Zweige,
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| als ob er nur für uns — so scheint es — scheint.
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| Es fällt dein Haar zurück, als ich dein Ohr liebkose.
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| Darunter pocht die Halsschlagader heiß.
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| Da beginnt bei mir die Metamorphose.
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| Und ich packe deinen Nacken, und ich beiße zu.
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| Ich stoß' dir meine Zähne
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| bis zum Anschlag in die Vene
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| und verdrehe meine Augen,
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| und ich fange an zu saugen.
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| Nicht nur ein Schrei vor Schrecken
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| bleibt dir tief im Halse stecken,
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| sondern auch — und das noch tiefer!
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| die vier Ecken meiner Kiefer.
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| Du bist zwar recht robust,
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| doch regt sich schon kein Klopfen mehr
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| in deiner Brust, ich saug' dich just
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| bis auf den letzten Tropfen leer.
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| Ich kann nichts dafür.
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| Ich bin ein Vampir.
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| Jede Nacht erwacht in mir ein wildes Tier
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| und diese schier
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| unstillbare Gier
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| nach deinem Blut. |
| Es tut mir leid!
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| Ich bin ein Vampir.
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| Was hab' ich getan?! |
| Wie konnte das geschehen?!
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| Du, meine Liebste, liegst nun vor mir ausgestreckt.
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| Doch zu meiner Schande muß ich mir eingestehen:
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| So gut hat mir noch keine geschmeckt.
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| Ich bin verdammt die, die ich liebe, zu verlieren.
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| Denn selbst wenn sie nach meinem Biß bestenfalls
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| selber zu Vampiren mutieren,
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| werfen sie sich gleich andren Männern an den Hals.
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| Das passiert mir jedes mal,
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| stets dasselbe Ritual:
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| Es kommt nur zum ersten Kuß,
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| und danach ist sofort Schluß.
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| Er läßt sich nicht beheben,
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| mein verhexter Beißreflex!
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| Drum ist der Preis für ewiges Leben
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| ein Leben ohne Sex.
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| Ich kann nichts dafür.
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| Ich bin ein Vampir
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| und das bereits seit weit über vierhundert Jahren,
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| die ich hier
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| schon vor mich hin vegetier'
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| zur Unsterblichkeit verflucht als Vampir.
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| Doch was kann mir schon Unsterblichkeit bedeuten,
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| wenn ich doch nur totunglücklich bin?
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| Also gehe ich zum Psychotherapeuten:
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| «Herr Doktor, ich weiß nicht mehr, wohin.
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| Ich verabscheue, wie ich mich ernähre.
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| Doch es zu leugnen wäre Selbstbetrug.
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| Denn während ich fremde Hälse leere,
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| krieg' ich meinen Hals nie voll genug.
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| Es gibt für mich nichts Gutes,
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| außer den Geschmack des Blutes -»
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| Da unterbricht er mich und fragt nett,
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| welche Blutgruppe ich hätt'.
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| «Äh, naja, mal so, mal so, ich meine,
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| kommt darauf an…
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| Es gibt keine,
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| die ich Ihnen nicht besorgen kann.»
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| Denn Sie müssen wissen: Ich bin ein Vampir.
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| Ich war zwar nie in Transsylvanien,
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| ich war lediglich im Urlaub mal in Spanien.
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| Doch die Dunkelheit trägt ihre Schatten weit,
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| denn gebürtig komm' ich eigentlich aus Wattenscheit.
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| Ich hatte tierisch vor Vampiren Schiß,
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| bis mich schließlich einer der ihren biß.
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| Da hab' ich Blut geleckt und im Nu entdeckt,
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| wie gut das schmeckt.
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| Seitdem hab' ich weit über 1000 Frauen geliebt,
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| von denen leider keine bei mir blieb,
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| weil ich sie immer beiße… Sch-!
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| So kann das nicht mehr weitergehen!
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| Helfen Sie mir!
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| Ich bin ein Vampir.
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| Der rote Saft verschafft mir Kraft, er ist mein Lebenselixier.
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| Ich komm' nicht davon los!
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| Was mach' ich bloß,
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| damit das aufhört? |
| Nun, was kann ich tun?
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| Des Doktors detailierte Diagnose
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| treibt mir die Starre des Erstaunens ins Gesicht:
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| «Schizophrenie mit schwer neurotischer Psychose?!
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| Moment mal, sie glauben doch wohl nicht
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| etwa, das wäre alles meiner Phantasie entsprungen?
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| Sie seh’n doch diese Zähne? |
| Die sind nicht angeklebt!»
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| Ihn zu überzeugen ist mir schließlich doch gelungen.
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| Leider hat er das nicht überlebt.
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| Nun hilft mir niemand mehr,
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| denn wer sollte, wenn nicht er?
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| Ach, ich wünschte ich wär tot,
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| wenn ich doch nur nicht unsterblich wär'!
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| Doch ich weiß, auf welche Art ich
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| meinem Dasein hier entkomme:
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| Ich geh' in den Park, und dort wart' ich
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| auf den Aufgang der Sonne… |