| Sah ein Knab ein Röslein steh’n,
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| Röslein auf der Heiden,
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| war so jung und morgenschön,
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| lief er schnell, es nah zu sehn,
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| sah’s mit vielen Freuden.
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| Röslein, Röslein, Röslein rot,
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| Röslein auf der Heiden.
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| Knabe sprach: «Ich brech' dich,
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| Röslein auf der Heiden!»
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| Röslein sprach: «Ich stech' dich!
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| Das versprech' ich dir, es sei denn
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| du läßt mich in Ruh'.
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| Dann ließ' sich das sich vermeiden.»
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| Doch wie halt so die Knaben sind,
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| hört er nicht auf das Röslein.
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| Er schlägt die Warnung in den Wind
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| — wie kann man nur so blöd sein!
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| Der Knabe brach,
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| das Röslein stach,
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| worauf es dann zu Knaben sprach:
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| «Hättste mich mal nicht gebrochen,
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| dann hätt' ich dich auch nicht gestochen.
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| Doch versprochen ist versprochen.
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| Warum machste auch solche Sachen?»
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| Rö, Rö, Röslein rot, ahaha,
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| Rö, Rö, Röslein auf der Heiden.
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| Mach' nie ein Röslein tot!
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| Brich' es nicht! |
| Laß es bleiben!
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| Denn wenn sich erst die Rose rächt,
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| geht das mächtig in die Hose, echt!
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| Erst recht wegen eines Ausrupf-Risikos
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| reagieren Rosen rigoros.
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| Also solltest du mal eines Rose sehn,
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| und ist diese Rose noch so schön,
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| laß sie steh’n!
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| Besagter Knabe aber
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| ignoriert der Rose Tücken.
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| Er war Schnittblumen-Liebhaber,
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| und das Pflücken schien zu glücken.
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| Zwar zerschunden
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| von Schnittwunden,
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| stellte er voller Entzücken die Rose in ‘ne Vase.
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| In der Vase war sie wesentlich
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| von Wasser eingeengt und denkt,
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| wie sie auf der Wiese,
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| wo sie lose war versenkt,
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| Riesen-Rose einst gewesen,
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| eh sie 'n Knabe haben wollte,
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| welcher diese wie so 'n Bison
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| aus der Erde riß. |
| Da rollte
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| sie die Blätter ineinander,
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| nebenan der Knabe stand.
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| Die Pracht der Rose in der Vase
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| — er sah sie, wie sie schwand!
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| «Schande!», dachte er.
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| «Hätt' ich sie mal nicht gebrochen!
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| In der Vase blüht sie kurz,
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| auf der Wiese noch Wochen.»
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| Diese hochtrabende Erkenntnis
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| weckt beim Knaben das Verständnis:
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| Wenn man ein Röslein bricht,
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| überlebt es meistens nicht.
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| Rö, Rö, Röslein rot,
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| Rö, Rö, Röslein auf der Heiden.
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| Nun ist das Röslein tot,
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| aber wenigsten war sein Leiden
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| doch noch zu etwas nutz:
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| Als Plädoyer für Umweltschutz |