| Das Auto kam mir voll auf meiner Seite entgegen | 
| Wie lange hab' ich unter dem Motorrad gelegen? | 
| Die Welt verschwimmt vor dem beschlagenen Visier | 
| Viele kleine Engel singen, Sterne funkeln | 
| Petrus kichert leis', aber da im Dunkeln | 
| Kniet ein großer, schwarzer Biker neben mir | 
| Wuchtet die schwere Maschine locker von mir runter | 
| Legt den zusamm’ngerollten Regenkombi unter | 
| Meinen Helm und langsam wir es wieder hell | 
| Das Bild wird scharf und was ich seh ist unbeschreiblich: | 
| Der Biker ist 'ne Bikerin, der Kerl ist weiblich | 
| Hey, ist das nicht meine alte Freundin Annabelle! | 
| Annabelle, diesmal machen wir zwei es richtig | 
| Was mal schiefgegangen ist, ist nicht so wichtig | 
| Diesmal Annabelle, diesmal treiben wir’s bunt! | 
| Vergiß meine Wortspiele mit deinem Namen | 
| Mach mir noch ein paar Erste-Hilfe-Maßnahmen | 
| Dann beatme mich noch etwas Mund-zu-Mund! | 
| Mit einem klugen Griff — das kann sie, keine Frage — | 
| Bringt sie mich sanft in die stabile Seitenlage | 
| «Annabelle, was ich dir schon seit 30 Jahren sagen will: | 
| Ich glaub', ich habe da bei dir was gut zu machen | 
| Ich hab' damals, nur damit die Leute lachen…» | 
| Sie legt mir den Finger auf den Mund, «Still jetzt, ganz still!» | 
| Kein Wort mehr über mehr oder wen’ger gescheite | 
| Sprüche, über Beifall von der falschen Seite | 
| Keine Vorwürfe, keine Entschuldigung | 
| So war’n die Zeiten halt, so ist das Leben | 
| Wer viel hinlangt, der langt auch schon mal daneben | 
| Und ich war ganz ehrlich, ganz sicher, ganz dumm und ganz jung | 
| Annabelle, diesmal machen wir zwei es richtig | 
| Witzigkeit ist diesmal nicht so furchtbar wichtig | 
| Diesmal Annabelle, diesmal war’s verdammt knapp | 
| Laß uns die Gelegenheit beim Schopfe packen | 
| Leg deinen Arm noch mal unter meinen Nacken | 
| Und nimm mir alten Schelm den kaputten Helm und die Beichte ab! | 
| Deine Ideale, will mir heute scheinen | 
| Waren gar nicht so weit weg von meinen | 
| Doch das zuzugeben, war ich viel zu blöd und stolz | 
| Kleinliche Polemik, sinnloses Gestreite — | 
| Eigentlich standen wir auf derselben Seite | 
| Eigentlich waren wir beide aus demselben Holz! | 
| Inzwischen hatten ein paar Autos angehalten | 
| Und ein Dutzend dumpfe, untät'ge Gestalten | 
| Begann sich gaffend und schwatzend um uns herumzuschar’n | 
| Ich sah von unten rauf in ihre Nasen | 
| Und las in ihren Glotzaugen wie in Sprechblasen: | 
| «Was müssen zwei so alte Säcke auch noch mit’em Mopped fahr’n!» | 
| Annabelle, diesmal machen wir zwei es richtig | 
| Diesmal sind wir beide völlig uneinsichtig | 
| Diesmal, Annabelle stehen wir mit dem Rücken zur Wand | 
| Andre werden klüger, andre werden milder | 
| Andern fall’n die Zähne aus, komm laß uns wilder | 
| Werden und laß noch deine Hand unter mein’m Verband! | 
| Zwei wie du und ich, wir mußten einfach Funken schlagen | 
| Konnten, auch wenn wir’s dachten, nicht dasselbe sagen | 
| Dabei wußtest du: Ich war der erste Feminist! | 
| Zwei wie du und ich uneins doch unzertrennlich | 
| Sicher wußte ich immer schon: Irren ist männlich | 
| Und ich wußte, daß die Zukunft weiblich ist | 
| Blaulicht und Sirene und Rettungswagen | 
| «Pfoten weg und wagt es nicht mich abzutragen!» | 
| Ich bleibe hier, den Kopf in deinem Schoß! | 
| Tropf am Haken, Anschnallgurte, Milchglascheiben | 
| Einer soll da rein, einer soll draußen bleiben? | 
| Annabelle, verdammt, laß mich jetzt bloß nicht los! | 
| Annabelle, diesmal machen wir zwei es richtig | 
| Ideologie ist diesmal nicht so wichtig! | 
| Annabelle, wir hab’n uns viel zu lang verkohlt | 
| Männer und Frau’n passen vielleicht nicht zusammen | 
| Aber meine allerschönsten Schrammem | 
| Habe ich mir in diesem Duell, Annabelle, bei dir geholt |