| Ja, da war es plötzlich wieder, dieses Augenzucken
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| In Verbindung mit dem eigenwill’gen Daumenjucken
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| Das ich immer kriege, eh' es einen Schneesturm gibt
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| Oder wenn ich stockbetrunken bin oder verliebt
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| Diesmal dacht' ich mir: «Du nimmst doch deine Daumenschäden
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| Viel zu leicht, nun geh doch endlich mal zum Orthopäden!»
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| Und so ging ich tags darauf zu Doktor Sägeberg
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| Der spuckte in die Hände und machte sich ans Werk:
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| «Tief einatmen, Hände hoch, und runter mit der Hose
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| So — bitte, recht freundlich!» |
| Fertig war die Diagnose
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| «Tja», sagte er, «Ihr Gelenkmoment ist ziemlich groß
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| Und Ihr Zustand ist bedenklich, doch nicht hoffnungslos:
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| Ihr Jejunum ist gebogen und Ihr Nabelbein zu lang
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| Ihr Apendix überzogen und Ihr Plexus nicht in Gang
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| Ihre Blase geht nach oben und Ihr Magen gradeaus
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| Ihre Galle ist verschoben, und Ihr Knorpelfell muss raus
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| Keine Angst, das ha’m wir gleich, das geht ganz schmerzlos und ganz schnell —
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| Bitte, Schwester Hildegard, Skalpell!"
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| Heftig wehrt' ich mich, doch er wollte erst von mir lassen
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| Als ich fragte: «Nehmen Sie auch alle Krankenkassen?»
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| «Hm, das ist so», sagte er, «ein schwier’ger Fall wie Sie
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| Muss zu Dr. |
| Nahtlos in die Neurochirurgie
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| Der hat die modernste Klinik, und zur Prophylaxis
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| Hat er sogar einen eig’nen Friedhof bei der Praxis
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| Der ist als Kapazität bekannt in aller Welt
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| Tragisch ist nur, dass er sich für Uwe Seeler hält!»
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| Ich sah Dr. |
| Nahtlos und verstand, der war noch schlimmer:
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| Grad' flankt' er 'nen Knochen vom OP ins Wartezimmer
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| Pfiff auf seiner Trillerpfeife, sah mich selig an:
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| «Ja, mein Bester, klinisch sind Sie längst ein toter Mann:
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| Ihr Jejunum ist gebogen und Ihr Nabelbein zu lang
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| Ihr Apendix überzogen und Ihr Plexus nicht in Gang
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| Ihre Blase geht nach oben und Ihr Magen gradeaus
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| Ihre Galle ist verschoben, und Ihr Knorpelfell muss raus
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| Keine Angst, das ha’m wir gleich, das geht ganz schmerzlos und ganz schnell —
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| Bitte, Schwester Eberhard, Skalpell!"
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| Ich entkam den beiden, als sie eine Münze warfen:
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| «Operier'n wir mit dem stumpfen oder mit dem scharfen?»
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| Da fiel mir der Rat eines verstorb’nen Nachbarn ein:
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| «Geh doch mal ins Uniklinikum zu Dr. |
| Hein!»
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| Dort im Wartezimmer hört ich manche lange Stunde
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| Den Krankengeschichten zu, bestaunte manche Wunde:
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| «Hier, wo Sie die Schere fühl'n, war mal mein Blinddarm drin!»
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| «Ach, wie unbeschwert ich heut' ohne mein Kleinhirn bin!»
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| «Na, mir hat er schon zwei Nier’n entfernt, heut' kommt die dritte!»
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| Da, die Tür ging auf, die Schwester rief: «Der Nächste bitte!»
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| Auf der Flucht klang mir noch durch die off’ne Türe nach
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| Wie Dr. |
| Hein mit der Sprechstundenhilfe sprach:
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| «Sein Jejunum ist gebogen und sein Nabelbein zu lang
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| Sein Apendix überzogen und sein Plexus nicht in Gang
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| Seine Blase geht nach oben und sein Magen gradeaus
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| Seine Galle ist verschoben, und sein Knorpelfell muss raus
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| Keine Angst, das ha’m wir gleich, das geht ganz schmerzlos und ganz schnell —
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| Bitte, Schwester Ingeborg, Skalpell!»
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| Langsam macht' ich mir doch Sorgen wegen meiner Krankheit
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| Da entdeckt' ich in dem Blatt «Die Neue Rosa Freizeit»
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| Zwischen «Trinkt Prinz Charles?» |
| und «Warum lacht Fürst Igor nicht?»
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| Die Adresse einer Frau, die wahrsagt und bespricht
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| Der zeigt' ich mein Augenzucken, dieses unheilbare
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| «Gratuliere!», rief sie, «Damit wird man hundert Jahre
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| Sowas hat man häufig in einer bestimmten Frist
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| Wenn es Schnee gibt, man verliebt oder betrunken ist
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| Erst wenn dieses Zucken ausbleibt, ha’m Sie eine Krankheit
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| Jetzt entschuld’gen Sie mich, ich hab' noch 'nen Haufen Arbeit!
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| Rufen Sie beim Geh’n gleich die nächsten Patienten rein:
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| Dr. |
| Nahtlos, Dr. |
| Sägeberg und Dr. |
| Hein!
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| Das sind drei ganz erstaunliche, außerordentlich schwierige Fälle
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| Bei denen komme ich im Verlauf der Behandlung immer mehr zu der Überzeugung:
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| Ihr Jejunum ist gebogen und Ihr Nabelbein zu lang
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| Ihr Apendix überzogen und Ihr Plexus nicht in Gang
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| Ihre Blase geht nach oben und Ihr Magen gradeaus
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| Ihre Galle ist verschoben, und Ihr Knorpelfell muss raus
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| Aber keine Angst, die drei, die bring' ich auch noch durch —
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| Bitte, Schwester Luzifer, den Lurch!" |