| In meiner Stadt gibt es Fassaden
|
| Jammervoll, wie ein Zirkuszelt
|
| Das sind verzogen und überladen
|
| An in paar schiefen Masten hält
|
| Dahinter hängt in allen Räumen
|
| Die gleiche Schlafzimmerlandschaft
|
| Ein «Hirsch am Bergsee» hilft beim Träumen
|
| Und gibt für morgen neue Kraft
|
| In meiner Stadt, da gibt es Straßen
|
| Voll Hochmut und eitler Allür'n
|
| Die über ihren Stolz vergaßen
|
| Woher sie kommen, wohin sie führ'n
|
| Der Horizont in festen Zügeln
|
| Und die Windrose liegt auf Eis
|
| Für Vögel mit gestutzten Flügeln
|
| Ein Käfig, schön wie’s Paradeis
|
| In meiner Stadt, da gibt es Berge
|
| Aus Müll, Ruinen, Schweiß und Blei
|
| Die träumen lang schon vom Ölberge
|
| Und hör'n den dritten Hahnenschrei
|
| Ein Golgatha, aus Müll geboren
|
| Und zementiert, damit es hält
|
| Dort hat kein Pilger was verloren
|
| Von dort erlöst keiner die Welt
|
| In meiner Stadt, da gibt es Flüsse
|
| Die dienen, ohne Illusion
|
| Als Abfluss für die Regengüsse
|
| Und für die Kanalisation
|
| Nur um die Hoffnung zu ertränken
|
| Sind sie wohl grade tief genug —
|
| Wer will‘s Magdalena verdenken? |
| -
|
| Sie füllt woanders ihren Krug
|
| In meiner Stadt wohnt der Gemeine
|
| Und der Gerechte Tür an Tür
|
| Da wohnt das Gute und das Schlechte
|
| In schönem Einklang, scheint es mir
|
| In Freuden und Kalamitätchen
|
| So wie in jeder anderen Stadt
|
| Nur wohnt in meiner Stadt mein Mädchen
|
| Und dafür lieb' ich meine Stadt! |