| Das war ein guter Tag, als ich in Rechnen eine Eins bekam!
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| Es traf mich wie ein Blitz, erstarrt in ungläubigem Staunen.
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| Als ich aufstand und nach vorn ging und mein Heft entgegennahm
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| Ging durch die Bänke hinter mir ein Wispern und ein Raunen.
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| Soviel Worte, soviel Tränen, soviel Selbstvertrau‘n verlor‘n,
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| Jetzt stand in meinem Heft der kleine, rote Tintenkringel!
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| Ein Kichern: Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn.
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| Ich lief rot an und heulte vor Glück bis zur Pausenklingel.
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| An diesem Tag, da war‘s, als hätt‘ ich eine Ritterrüstung an,
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| Da prallte alles ab, der Neid, die Hähme und das Kläffen,
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| Da war ich unverwundbar, da wusst‘ ich, heute kann
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| Mich durch kein Birkenblatt im Rücken der Speer des Lehrers treffen.
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| Wie ein Triumpfzug war der Heimweg, der vor mir lag.
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| Das war ein guter Tag!
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| Das war ein guter Tag, als ich nach der Chorprobe mit ihr ging
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| Im Schneetreiben, den Weg von Hermsdorf bis nach Blankenfelde.
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| Wir sangen und erzählten, unser beider Atem hing
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| Wie kleine weiße Wort-Wölkchen hinter uns in der Kälte.
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| Ich spürte nicht den Wind, der in Gesicht und Hände schnitt,
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| Als wir, um uns zu wärmen, uns bei den Armen nahmen.
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| Ihr zugewandt folgte ich ihren Worten, ihrem Schritt
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| Und als wir in der Dämmerung vor ihr Elternhaus kamen,
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| Küsste sie mich mit gespitzten Lippen auf den Mund,
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| Verstohlen, ohne Warnung, beinahe wie aus Versehen
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| Und ließ mich lachend stehn und ließ mich sprachlos und weidwund
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| Den gleichen, langen Weg wieder zurück nach Hause gehen,
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| Der tiefverschneit inzwischen in dunkler Winternacht lag.
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| Das war ein guter Tag!
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| Das war ein guter Tag, als in der Nacht das Kind nach Hause kam!
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| Nach all den Ängsten, da hatt‘ ich gut den Gelass‘nen spielen.
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| Als ich ihn wortlos an der Haustür in die Arme nahm,
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| Wie alle Sorgen, alle Qualen da von uns abfielen!
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| Das bange auf-die-Uhr-Sehn: Wo er sich jetzt noch rumtreibt?
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| Na, das wird ihm noch leidtun, na, das wird er noch bedauern,
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| Na, der kann was erleben! |
| Wo er nur so lange bleibt?
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| Auf seinen Schritt im Flur, ein Geräusch auf der Straße lauern.
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| Lass ihn jetzt heimkommen, egal, ich kann alles verzeihn,
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| Den Ärger, das Minutenzähl‘n, das kummervolle Wachen!
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| Lass ihn nur heimkommen, lass ihm nichts zugestoßen sein!
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| Ich sage keinen Ton, ich werd ihm keinen Vorwurf machen,
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| Ganz still werde ich sein, ich schwör, dass ich nichts sag'!
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| Das war ein guter Tag!
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| Das ist ein guter Tag, der über den Dächern der Stadt aufgeht,
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| Wie all die unerwähnten, in Erinnerung verschwomm‘nen.
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| Denn auch über dem unscheinbarsten, alltäglichsten weht
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| Der Hauch des Einzigen und das Versprechen des Vollkomm‘nen
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| Ich bin bereit, zu lernen, seine Kostbarkeit zu seh’n,
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| Mich auf ihn einzulassen und ihm jede Chance zu geben,
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| Ich bin bereit, den langen Weg bis ans Ende zu geh’n
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| Und bis zum allerletzten Ton den Ausklang zu erleben.
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| Im Wissen, dass ich eines Tages nichts anderes mehr
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| Erbitten und ersehnen, dass ich gar nichts auf der Erde
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| So sehr wie einen neuen Morgen, eine Wiederkehr
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| Des unscheinbarsten, alltäglichsten Tags erflehen werde.
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| Ich weiss, was ich sag —
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| Das ist ein guter Tag! |