| Es geht ein Wispern und Raunen durch den grünen Farn
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| Gespräche brechen ab, und Gesten erstarr’n
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| Zu ängstlichem Verharren, in gespanntem Lauern
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| Im Unterholz, im Blattwerk und im dunklen Tann
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| Halten sie alle im Wald verstört den Atem an
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| Und die Nachricht lässt sie eng zusammenkauern:
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| Auf der Lichtung bei der Buche im hohlen Stamm
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| Haben sie — sagt man — ein Taschentuch mit Monogramm
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| Und ein Spielzeug unterm welken Laub gefunden
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| Und hinterm Ginsterbusch am Tümpel, ganz von Tau durchnässt
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| Seine kleine, rote Mütze, und jetzt steht es fest:
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| Der kleine Wiesel, der kleine Wiesel ist verschwunden!
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| Heute morgen haben sie ihn alle noch geseh’n
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| Im Wald hier kann ihm ja auch wirklich nichts gescheh’n
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| Wo jeder jedem hilft, alle einander kennen
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| Die Mutter war doch eben nur ganz kurz ums Eck
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| Und gleich zurück, da war der kleinr Wiesel weg
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| Und jeder weiss, der kleine Wiesel, der kann rennen!
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| Aber jetzt ist schon längst Mittag, jetzt ist Essenszeit
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| Und der kleine Wiesel nicht zu sehen weit und breit
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| Die Eltern und Geschwister rufen ihn jetzt schon seit Stunden
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| Wo steckt er nur, was hat er wieder angestellt?
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| Wenn ein Kind nicht heimkommt, kentert die ganze Welt!
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| Der kleine Wiesel ist verschwunden!
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| Das vorwitzigste Kerlchen im ganzen Revier
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| So ein übermüt'ges, abenteuerlust’ges Tier
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| Mit seiner spitzen Nase und den Hamsterbacken!
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| Wie oft haben die Eltern es «Sag nein!» |
| ermahnt
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| «Geh nicht mit Fremden mit!», als hätten sie’s geahnt
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| Er ist so zutraulich und hat doch nur den Schalk im Nacken!
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| Die Eltern bitten, und die Eltern fleh’n:
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| «Bitte lasst den kleinen Wiesel nach Hause geh’n!»
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| Noch immer hat man keine neue Spur gefunden
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| Die Mutter wie erloschen, wie von Tränen blind
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| Der Vater wie von Sinnen vor Angst um das Kind
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| Der kleine Wiesel, der kleine Wiesel ist verschwunden!
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| Der Fuchs sagt: «Jeder weiss, dass all das Mahnen wenig nützt
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| Dass Vorsicht ganz allein uns’re Kinder nicht schützt
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| Wie soll’n sie sich denn von der Gefahr fernhalten?
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| Kinder erkennen manche Gefahren ganz einfach nicht
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| Ja, ist es denn dann nicht unsere verdammte Pflicht
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| Die Gefahr für uns’re Kinder auszuschalten?»
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| Der Prediger sagt: «Wer ein einz’ges der Kleinen fängt
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| Für den wäre es besser, er würde versenkt
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| Mit einem Eselsmühlstein auf dem Meeresgrunde!»
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| Der Richter sagt: «In welchem Erdloch er sich auch verbirgt
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| Sein Recht auf Freiheit ist für alle Zeit verwirkt!»
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| Das Unfassbare ist in diesem Wald gescheh’n
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| Nichts ist, wie’s war. |
| Wie soll das Leben weitergeh’n?
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| Nur einer fehlt, doch dieser eine fehlt uns allen
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| Und keins der Tiere ruht, und keins der Tiere frisst
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| So lange, wie der kleine Wiesel nicht zu Hause ist
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| Die Gemeinschaft, die die Brut nicht schützt, die muss zerfallen!
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| Der Abend kommt, und er ist immer noch vermisst
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| Wehe, wenn dem kleinen Wiesel was geschehen ist!
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| Da ist ein heil’ger Zorn, ein Drohen und ein Fluchen
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| Die Hölle öffnet ihren Feuerschlund, die Erde bebt —
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| Wehe dem, der die Hand gegen ein Kind erhebt!
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| Morgen bei Tagesanbruch wird man weitersuchen. |
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